Begründung:
Die derzeitige Stellplatzsatzung regelt die
Notwendigkeit von Stellplätzen, sofern durch bauliche oder sonstige Anlagen ein
Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist. Durch die beabsichtigte Änderung
sollen die Altstadtbereiche von dieser Regelung ausgenommen werden, um eine
wirtschaftliche Entwicklung der Innenstadt nicht durch die Schaffung von
Stellplätzen bzw. einer Ablöse einzuschränken. Hierdurch wird ebenfalls dem Konzept
des Gewerbevereins für eine andere Verkehrslenkung und Innenstadtbelebung sowie
den Anregungen aus dem IKEK Rechnung getragen.
Eine rechtliche Beurteilung durch den Hessischen
Städte- und Gemeindebund im Vorfeld ergab eine sehr umfangreiche Stellungnahme:
Die
Bestimmung des § 44 HBO - und damit auch die einer Stellplatzsatzung - verfolgt
allgemein das Ziel, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
abzuwehren, die aus einem überhöhten Fahrzeugaufkommen auf öffentlichen
Verkehrsflächen (öffentlicher Parkraum) resultieren können. Der Gesetzgeber
geht bei den Regelungen über die Stellplatzpflicht davon aus, dass derjenige,
der einen Ziel- oder Quellverkehr veranlasst, die Verpflichtung übernimmt,
dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge auch so abgestellt werden können,
dass „die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs nicht beeinträchtigt
werden“ (BVerwG, Urt. vom 16.9.2004 - Az. 4 C 5/03 -). Ohne eine solche
grundsätzliche Verpflichtung bestünde die Gefahr, dass das vermehrte Fahrzeugaufkommen
auf keine weiteren Parkmöglichkeiten trifft und dies in der Folge Verkehrsbehinderungen
nach sich zieht. Die öffentlichen Straßen sind jedoch vorwiegend dem fließenden
Verkehr vorbehalten. Sie sind nicht dazu bestimmt auch auf längere Dauer angelegten
ruhenden Verkehr aufzunehmen (BVerwG, Urt. vom 16.9.2004 - Az. 4 C 5/03 -).
Die
klassische Zielsetzung der Stellplatzregelung ist daher bis heute die
Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen im Bereich des ruhenden Verkehrs
geblieben (BVerwG, Urt. vom 30.8.1985 - Az. 4 C 10/81 -). Sie orientiert sich
am Verursacherprinzip und verpflichtet die Bauherrschaft den Bedarf an
zusätzlichen Stellplätzen zu befriedigen, den sie durch die Errichtung,
Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen verursacht hat. Durch die
Schaffung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen und Garagen durch private
Bauherren auf deren Grundstücken kann die Anzahl der im öffentlichen
Verkehrsraum längere Zeit abgestellten Fahrzeuge vermindert werden. Gerade in
Städten ist zu beobachten, dass der öffentliche Parkraum an Werktagen häufig
als Dauerparkplatz genutzt wird. Im Idealfall sollte durch die
Stellplatzpflicht der durch bauliche Tätigkeit herbeigeführte erhöhte
Parkraumbedarf ausgeglichen werden.
Daneben kann der Erlass einer
Stellplatzsatzung auch dem Ziel einer geordneten Verkehrsplanung und -lenkung
dienen. Beispielsweise ermöglicht es § 44 HBO den Gemeinden, in ihrem Gebiet
aus Anlass einer Bautätigkeit bestimmte Problembereiche, wie Fußgängerzonen
oder andere besonders eng bebaute Gemeindegebiete, von der Stellplatzpflicht zu
befreien, § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, 5 HBO.
Grundsätzlich soll der durch private Bautätigkeit ausgelöste Stellplatzbedarf
auch von den jeweiligen Bauherren gedeckt werden. Allerdings kann die Gemeinde
im Einzelfall von dieser Regel abweichen, wenn aufgrund der vorhandenen Bebauung
oder speziellen örtlichen Situation der grundsätzlich angestrebte Ausgleich
gerade nicht möglich ist. Die Gemeinde kann hierbei auch berücksichtigen, dass
zur Verfügung stehender Parkraum nach der Lebenserfahrung Individualverkehr
nach sich zieht, so das durch eine „Verteilung“ von Parkraum auf die
Verkehrsströme gezielt Einfluss genommen werden kann, um Verkehrsengpässe zu
vermeiden. Dabei kann § 44 HBO ein auf Grundlage anderer Vorschriften bestehendes
Verkehrskonzept unterstützen (vgl. § 45 StVO, § 6 Abs. 1 Nr. 14, 15 StVG).
Insoweit ist es auch zulässig, dass durch bewusst niedrig angesetzte
Stellplatzzahlen der weiteren Zunahme des motorisierten Individualverkehrs
entgegengewirkt wird (vgl. LT-Drs. 14/4813 Seite 147) (vgl. zum Ganzen
Schröer/Weber in Rasch/Schaetzell, Kommentar zur HBO, § 44 Ziffer 1.1).
Vom
Grundsatz her ist davon auszugehen, dass die Entscheidung, ob eine Gemeinde
eine Stellplatzpflicht durch den Erlass einer Stellplatzsatzung begründet,
grundsätzlich in ihrem Ermessen steht. Aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 1
HBO („Die Gemeinden legen ….. (notwendiger Garagen, Stellplätze und
Abstellplätze) fest“) lässt sich jedoch schließen, dass eine (nicht
justiziable) Verpflichtung zum Erlass einer Stellplatzsatzung bestehen kann,
wenn die örtlichen Verkehrsverhältnisse dies erfordern und keine anderweitigen
– gewichtigeren - Gründe gegen den Erlass einer Stellplatzsatzung sprechen.
Somit kann gerade im ländlichen Bereich eine Gemeinde durchaus auch auf den
Erlass einer Stellplatzsatzung verzichten. Daneben
ist eine Gemeinde nicht verpflichtet den Geltungsbereich einer
Stellplatzsatzung auf das gesamte Gemeindegebiet auszudehnen. Insoweit gilt das
eben Gesagte entsprechend (Pfalzgraf/Weber/Gaida, Hessisches Bauordnungsrecht -
Textsammlung mit Einführung und Muster-Stellplatzsatzung des Hessischen Städte-
und Gemeindebundes mit Kurzkommentierung, Seite 317 f.).
Im
Kern entscheidend ist daher für Ihren konkreten Einzelfall die Frage, ob die
Gründe, die dafür sprechen den Innenstadtbereich vom Geltungsbereich der
Stellplatzsatzung auszunehmen, gewichtiger sind als die Gründe, die für eine
Erstreckung des Geltungsbereichs hierauf sprechen, sind. Wie oben bereits
erwähnt erlaubt § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 HBO den vollständigen oder teilweisen
Verzicht auf die Herstellung von notwendigen Garagen oder Stellplätzen, soweit
der Stellplatzbedarf a) durch besondere Maßnahmen verringert wird oder b) durch
nachträglichen Ausbau von Dach- und Kellergeschossen entsteht. Hierfür enthält
Ihre Anfrage keine Anhaltspunkte. Nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO kann die
Herstellung von notwendigen oder nicht notwendigen Garagen oder Stellplätzen
eingeschränkt werden, soweit Gründe des Verkehrs oder städtebauliche Gründe
dies erfordern.
Gründe
des Verkehrs werden immer dann vorliegen, wenn die Verkehrssituation eine
Einschränkung oder auch Untersagung der Herstellung von Stellplätzen
erforderlich macht. An eine Einschränkung kann beispielsweise in
verkehrsberuhigten Zonen oder auch bei Wohn- und Spielstraßen gedacht werden.
Eine Untersagung kann bei der Errichtung von Fußgängerzonen Sinn machen. Grund
kann auch sein, den mit weiteren Stellplätzen oder Garagen verbundenen Quell-
oder Zielverkehr zu verhindern, wenn dessen Zunahme die Sicherheit oder
Leichtigkeit oder Ordnung des Verkehrs ernsthaft gefährden würde oder ein
weiterer Ausbau des Straßennetzes nicht mehr von dem kommunalen Verkehrskonzept
getragen wird (Handlungsempfehlungen zum Vollzug der HBO 2011 (HE-HBO) vom
20.1.2004 (StAnz. S. 746), aktualisierter Stand: 1.10.2014, Seite 39
Ziffer 44.1.2.4).
Die
Nennung der städtebaulichen Gründe in § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO zeigt, dass
die Gemeinde sich bei Erlass der Stellplatzsatzung nicht nur von
bauordnungsrechtlichen Erwägungen leiten lassen muss. Wie bereits dargestellt,
muss die Gemeinde vielmehr die vielfältigen Auswirkungen des Instruments der
Stellplatzpflicht bei ihrer Entscheidung berücksichtigen und auch einsetzen.
Das BauGB hindert die Gemeinde nicht, durch eine Stellplatzsatzung für
bestimmte Gemeindegebiete/Stadtteile, insbesondere Fußgängerzonen, eine
Nutzungsstruktur anzustreben, die mit den Möglichkeiten des BauGB alleine nicht
durchsetzbar wäre (BVerwG, Beschluss vom 20.9.1983 - 4 B 122/83 -; dem folgend:
Hess VGH, Urt. vom 28.9.1990 - 3 UE 514/85 -, zu einer Ablösungssatzung; diese
allgemeinen Erwägungen treffen auch auf die Einschränkung oder Untersagung nach
§ 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO zu). Mit Regelungen in der Stellplatzsatzung nach §
44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO kann die Gemeinde daher auch ihre Vorstellungen über
eine städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet fördern. Hierbei geben
die Planungsleitsätze des § 1 Abs. 6 BauGB eine Orientierungshilfe. So können
beispielsweise der Belang der Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung
vorhandener Ortsteile (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB) oder auch die Belange des Denkmalschutzes
und der Denkmalpflege aus § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB als Zielsetzung einer
gemeindlichen Stellplatzsatzung für die Einschränkung der Herstellungspflicht
angesehen werden. Durch Regelungen einer Stellplatzsatzung nach § 44 Abs. 1 S.
2 Nr. 5 HBO kann eine Gemeinde auch Einfluss auf die Gestaltung ihrer
jeweiligen Ortsteile nehmen und beispielsweise durch die Untersagung weiterer
Stellplätze in einem eng bebauten Ortsteil (zum Beispiel in historischen
Altstädten) diesen Bereich unter anderem von der weiteren Zunahme des
motorisierten Verkehrs fernhalten und dadurch schließlich auch die Bausubstanz
schützen. Trotz verschiedener Ausgangspunkte der städtebaulichen Gründe und der
Gründe des Verkehrs können beide Hand in Hand zu einer gemeinsamen Zielsetzung
einer vernünftigen Verkehrsplanung und – lenkung führen. Unter Berücksichtigung
der planungsrechtlichen Bezüge lässt sich ein städtebaulicher Grund auch aus §
12 Abs. 6 BauNVO ableiten, der eine Beschränkung von Stellplätzen und Garagen
bereits bei den Festsetzungen im Bebauungsplan vorsieht. Generell können Festsetzungen
in Bebauungsplänen immer als städtebauliche Gründe herangezogen werden.
Allerdings muss die Einschränkung oder Untersagung der Herstellung der
Stellplatzpflicht erforderlich sein. Dies richtet sich nach Sinn und Zweck der
beabsichtigten Maßnahme. Daher darf eine Stellplatzsatzung nur eine Einschränkung
und nicht eine vollständige Untersagung enthalten, wenn dies für die Erreichung
eines bestimmten Verkehrskonzept oder einer städtebaulichen Fortentwicklung
ausreichend ist. Um dies beurteilen zu können, müssen im maßgeblichen Zeitpunkt,
also dem Erlass der Stellplatzsatzung u.a. auf Grundlage des § 44 Abs. 1 S. 2
Nr. 5 HBO, die zukünftigen gemeindlichen Konzepte schon festgelegt sein. Die
Gemeinde muss sich also bereits bei der Beschlussfassung über die Satzung über
die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf die bereits bestehenden
Verkehrskonzepte oder die städtebaulichen Konzepte im Klaren sein. Der 2.
Halbsatz des § 50 Abs. 6 S. 1 Nr. 7 HBO 1993 wurde durch § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
HBO nicht fortgeführt; aber die dortige Voraussetzung der zumutbaren Entfernung
von zusätzlichen Parkeinrichtungen sollte im Rahmen des Erlasses von Regelungen
nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO geprüft werden. Dabei kommt es jedoch auf die
Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die örtlichen
Verkehrsverhältnisse. Die Verkehrsteilnehmer im öffentlichen Straßenverkehr
werden - sofern in einem bestimmten Gemeindegebiet keine ausreichenden
Stellplätze mehr zur Verfügung stehen - angrenzende Gemeindegebiete stärker als
Parkraum nutzen. Auf die Voraussetzung von zusätzlichen Parkeinrichtungen als
Ausgleichsmaßnahme kann lediglich dann verzichtet werden, wenn, wie
beispielsweise in Innenstadtgebieten, andere Optionen einer Kompensation (ÖPNV)
möglich sind. Dagegen dürfte in ländlichen Gemeindegebieten eine Anwendung der
Satzungsermächtigung nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO aufgrund der schlechteren ÖPNV-Anbindung
eher unwahrscheinlich sein (vgl. zum Ganzen Rasch/Schaetzell, a.a.O., § 44
Ziffer 2.1.2.6).
Im
Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sich Ihrer Anfrage keine Anhaltspunkt für
die „restriktiven“ Nr. 4 und 5 des § 44 Abs. 1 S. 2 HBO entnehmen lassen.
Eine
weitere detaillierte Prüfung werden wir nach Beschlusslage an den HSGB richten
und der Magistrat wird über das Ergebnis in den nächsten Sitzungen berichten.
Aufgrund des späten Einganges der Antwort des HSGB konnte keine Beratung im
Magistrat stattfinden.
Beschlussantrag:
Der Magistrat stellt über den Umwelt-, Bau-, Planungs-
und Verkehrsausschuss sowie den Haupt – und Finanzausschuss den Antrag, die
Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt vorbehaltlich
einer rechtlichen Prüfung durch den HSGB die folgende Änderung der
Stellplatzsatzung:
Artikel I
§ 1 wird wie folgt geändert:
Die Satzung gilt für das gesamte Stadtgebiet der
Stadt Laubach mit Ausnahme der Altstadtbereiche in der Kernstadt sowie den
Ortsteilen. Die genaue Abgrenzung erfolgt durch Festlegung des Magistrates.
Artikel II
Die vorstehende Änderung der Stellplatzsatzung
tritt am Tage nach Ihrer Bekanntmachung in Kraft.