Betreff
Änderung der Stellplatzsatzung
Vorlage
853/2016
Art
Beschlussvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Begründung:

 

Die derzeitige Stellplatzsatzung regelt die Notwendigkeit von Stellplätzen, sofern durch bauliche oder sonstige Anlagen ein Zu- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist. Durch die beabsichtigte Änderung sollen die Altstadtbereiche von dieser Regelung ausgenommen werden, um eine wirtschaftliche Entwicklung der Innenstadt nicht durch die Schaffung von Stellplätzen bzw. einer Ablöse einzuschränken. Hierdurch wird ebenfalls dem Konzept des Gewerbevereins für eine andere Verkehrslenkung und Innenstadtbelebung sowie den Anregungen aus dem IKEK Rechnung getragen.

 

Eine rechtliche Beurteilung durch den Hessischen Städte- und Gemeindebund im Vorfeld ergab eine sehr umfangreiche Stellungnahme:

Die Bestimmung des § 44 HBO - und damit auch die einer Stellplatzsatzung - verfolgt allgemein das Ziel, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, die aus einem überhöhten Fahrzeugaufkommen auf öffentlichen Verkehrsflächen (öffentlicher Parkraum) resultieren können. Der Gesetzgeber geht bei den Regelungen über die Stellplatzpflicht davon aus, dass derjenige, der einen Ziel- oder Quellverkehr veranlasst, die Verpflichtung übernimmt, dafür Sorge zu tragen, dass die Fahrzeuge auch so abgestellt werden können, dass „die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs nicht beeinträchtigt werden“ (BVerwG, Urt. vom 16.9.2004 - Az. 4 C 5/03 -). Ohne eine solche grundsätzliche Verpflichtung bestünde die Gefahr, dass das vermehrte Fahrzeugaufkommen auf keine weiteren Parkmöglichkeiten trifft und dies in der Folge Verkehrsbehinderungen nach sich zieht. Die öffentlichen Straßen sind jedoch vorwiegend dem fließenden Verkehr vorbehalten. Sie sind nicht dazu bestimmt auch auf längere Dauer angelegten ruhenden Verkehr aufzunehmen (BVerwG, Urt. vom 16.9.2004 - Az. 4 C 5/03 -).

 

Die klassische Zielsetzung der Stellplatzregelung ist daher bis heute die Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen im Bereich des ruhenden Verkehrs geblieben (BVerwG, Urt. vom 30.8.1985 - Az. 4 C 10/81 -). Sie orientiert sich am Verursacherprinzip und verpflichtet die Bauherrschaft den Bedarf an zusätzlichen Stellplätzen zu befriedigen, den sie durch die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen verursacht hat. Durch die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen und Garagen durch private Bauherren auf deren Grundstücken kann die Anzahl der im öffentlichen Verkehrsraum längere Zeit abgestellten Fahrzeuge vermindert werden. Gerade in Städten ist zu beobachten, dass der öffentliche Parkraum an Werktagen häufig als Dauerparkplatz genutzt wird. Im Idealfall sollte durch die Stellplatzpflicht der durch bauliche Tätigkeit herbeigeführte erhöhte Parkraumbedarf ausgeglichen werden.

 

Daneben kann der Erlass einer Stellplatzsatzung auch dem Ziel einer geordneten Verkehrsplanung und -lenkung dienen. Beispielsweise ermöglicht es § 44 HBO den Gemeinden, in ihrem Gebiet aus Anlass einer Bautätigkeit bestimmte Problembereiche, wie Fußgängerzonen oder andere besonders eng bebaute Gemeindegebiete, von der Stellplatzpflicht zu befreien, § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, 5 HBO. Grundsätzlich soll der durch private Bautätigkeit ausgelöste Stellplatzbedarf auch von den jeweiligen Bauherren gedeckt werden. Allerdings kann die Gemeinde im Einzelfall von dieser Regel abweichen, wenn aufgrund der vorhandenen Bebauung oder speziellen örtlichen Situation der grundsätzlich angestrebte Ausgleich gerade nicht möglich ist. Die Gemeinde kann hierbei auch berücksichtigen, dass zur Verfügung stehender Parkraum nach der Lebenserfahrung Individualverkehr nach sich zieht, so das durch eine „Verteilung“ von Parkraum auf die Verkehrsströme gezielt Einfluss genommen werden kann, um Verkehrsengpässe zu vermeiden. Dabei kann § 44 HBO ein auf Grundlage anderer Vorschriften bestehendes Verkehrskonzept unterstützen (vgl. § 45 StVO, § 6 Abs. 1 Nr. 14, 15 StVG). Insoweit ist es auch zulässig, dass durch bewusst niedrig angesetzte Stellplatzzahlen der weiteren Zunahme des motorisierten Individualverkehrs entgegengewirkt wird (vgl. LT-Drs. 14/4813 Seite 147) (vgl. zum Ganzen Schröer/Weber in Rasch/Schaetzell, Kommentar zur HBO, § 44 Ziffer 1.1).

 

Vom Grundsatz her ist davon auszugehen, dass die Entscheidung, ob eine Gemeinde eine Stellplatzpflicht durch den Erlass einer Stellplatzsatzung begründet, grundsätzlich in ihrem Ermessen steht. Aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 1 HBO („Die Gemeinden legen ….. (notwendiger Garagen, Stellplätze und Abstellplätze) fest“) lässt sich jedoch schließen, dass eine (nicht justiziable) Verpflichtung zum Erlass einer Stellplatzsatzung bestehen kann, wenn die örtlichen Verkehrsverhältnisse dies erfordern und keine anderweitigen – gewichtigeren - Gründe gegen den Erlass einer Stellplatzsatzung sprechen. Somit kann gerade im ländlichen Bereich eine Gemeinde durchaus auch auf den Erlass einer Stellplatzsatzung verzichten. Daneben ist eine Gemeinde nicht verpflichtet den Geltungsbereich einer Stellplatzsatzung auf das gesamte Gemeindegebiet auszudehnen. Insoweit gilt das eben Gesagte entsprechend (Pfalzgraf/Weber/Gaida, Hessisches Bauordnungsrecht - Textsammlung mit Einführung und Muster-Stellplatzsatzung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes mit Kurzkommentierung, Seite 317 f.).

 

Im Kern entscheidend ist daher für Ihren konkreten Einzelfall die Frage, ob die Gründe, die dafür sprechen den Innenstadtbereich vom Geltungsbereich der Stellplatzsatzung auszunehmen, gewichtiger sind als die Gründe, die für eine Erstreckung des Geltungsbereichs hierauf sprechen, sind. Wie oben bereits erwähnt erlaubt § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 HBO den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Herstellung von notwendigen Garagen oder Stellplätzen, soweit der Stellplatzbedarf a) durch besondere Maßnahmen verringert wird oder b) durch nachträglichen Ausbau von Dach- und Kellergeschossen entsteht. Hierfür enthält Ihre Anfrage keine Anhaltspunkte. Nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO kann die Herstellung von notwendigen oder nicht notwendigen Garagen oder Stellplätzen eingeschränkt werden, soweit Gründe des Verkehrs oder städtebauliche Gründe dies erfordern.

 

Gründe des Verkehrs werden immer dann vorliegen, wenn die Verkehrssituation eine Einschränkung oder auch Untersagung der Herstellung von Stellplätzen erforderlich macht. An eine Einschränkung kann beispielsweise in verkehrsberuhigten Zonen oder auch bei Wohn- und Spielstraßen gedacht werden. Eine Untersagung kann bei der Errichtung von Fußgängerzonen Sinn machen. Grund kann auch sein, den mit weiteren Stellplätzen oder Garagen verbundenen Quell- oder Zielverkehr zu verhindern, wenn dessen Zunahme die Sicherheit oder Leichtigkeit oder Ordnung des Verkehrs ernsthaft gefährden würde oder ein weiterer Ausbau des Straßennetzes nicht mehr von dem kommunalen Verkehrskonzept getragen wird (Handlungsempfehlungen zum Vollzug der HBO 2011 (HE-HBO) vom  20.1.2004 (StAnz. S. 746), aktualisierter Stand: 1.10.2014, Seite 39 Ziffer 44.1.2.4).

 

Die Nennung der städtebaulichen Gründe in § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO zeigt, dass die Gemeinde sich bei Erlass der Stellplatzsatzung nicht nur von bauordnungsrechtlichen Erwägungen leiten lassen muss. Wie bereits dargestellt, muss die Gemeinde vielmehr die vielfältigen Auswirkungen des Instruments der Stellplatzpflicht bei ihrer Entscheidung berücksichtigen und auch einsetzen. Das BauGB hindert die Gemeinde nicht, durch eine Stellplatzsatzung für bestimmte Gemeindegebiete/Stadtteile, insbesondere Fußgängerzonen, eine Nutzungsstruktur anzustreben, die mit den Möglichkeiten des BauGB alleine nicht durchsetzbar wäre (BVerwG, Beschluss vom 20.9.1983 - 4 B 122/83 -; dem folgend: Hess VGH, Urt. vom 28.9.1990 - 3 UE 514/85 -, zu einer Ablösungssatzung; diese allgemeinen Erwägungen treffen auch auf die Einschränkung oder Untersagung nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO zu). Mit Regelungen in der Stellplatzsatzung nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO kann die Gemeinde daher auch ihre Vorstellungen über eine städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet fördern. Hierbei geben die Planungsleitsätze des § 1 Abs. 6 BauGB eine Orientierungshilfe. So können beispielsweise der Belang der Erhaltung, Erneuerung und Fortentwicklung vorhandener Ortsteile (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB) oder auch die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege aus § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB als Zielsetzung einer gemeindlichen Stellplatzsatzung für die Einschränkung der Herstellungspflicht angesehen werden. Durch Regelungen einer Stellplatzsatzung nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO kann eine Gemeinde auch Einfluss auf die Gestaltung ihrer jeweiligen Ortsteile nehmen und beispielsweise durch die Untersagung weiterer Stellplätze in einem eng bebauten Ortsteil (zum Beispiel in historischen Altstädten) diesen Bereich unter anderem von der weiteren Zunahme des motorisierten Verkehrs fernhalten und dadurch schließlich auch die Bausubstanz schützen. Trotz verschiedener Ausgangspunkte der städtebaulichen Gründe und der Gründe des Verkehrs können beide Hand in Hand zu einer gemeinsamen Zielsetzung einer vernünftigen Verkehrsplanung und – lenkung führen. Unter Berücksichtigung der planungsrechtlichen Bezüge lässt sich ein städtebaulicher Grund auch aus § 12 Abs. 6 BauNVO ableiten, der eine Beschränkung von Stellplätzen und Garagen bereits bei den Festsetzungen im Bebauungsplan vorsieht. Generell können Festsetzungen in Bebauungsplänen immer als städtebauliche Gründe herangezogen werden. Allerdings muss die Einschränkung oder Untersagung der Herstellung der Stellplatzpflicht erforderlich sein. Dies richtet sich nach Sinn und Zweck der beabsichtigten Maßnahme. Daher darf eine Stellplatzsatzung nur eine Einschränkung und nicht eine vollständige Untersagung enthalten, wenn dies für die Erreichung eines bestimmten Verkehrskonzept oder einer städtebaulichen Fortentwicklung ausreichend ist. Um dies beurteilen zu können, müssen im maßgeblichen Zeitpunkt, also dem Erlass der Stellplatzsatzung u.a. auf Grundlage des § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO, die zukünftigen gemeindlichen Konzepte schon festgelegt sein. Die Gemeinde muss sich also bereits bei der Beschlussfassung über die Satzung über die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf die bereits bestehenden Verkehrskonzepte oder die städtebaulichen Konzepte im Klaren sein. Der 2. Halbsatz des § 50 Abs. 6 S. 1 Nr. 7 HBO 1993 wurde durch § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO nicht fortgeführt; aber die dortige Voraussetzung der zumutbaren Entfernung von zusätzlichen Parkeinrichtungen sollte im Rahmen des Erlasses von Regelungen nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO geprüft werden. Dabei kommt es jedoch auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die örtlichen Verkehrsverhältnisse. Die Verkehrsteilnehmer im öffentlichen Straßenverkehr werden - sofern in einem bestimmten Gemeindegebiet keine ausreichenden Stellplätze mehr zur Verfügung stehen - angrenzende Gemeindegebiete stärker als Parkraum nutzen. Auf die Voraussetzung von zusätzlichen Parkeinrichtungen als Ausgleichsmaßnahme kann lediglich dann verzichtet werden, wenn, wie beispielsweise in Innenstadtgebieten, andere Optionen einer Kompensation (ÖPNV) möglich sind. Dagegen dürfte in ländlichen Gemeindegebieten eine Anwendung der Satzungsermächtigung nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 HBO aufgrund der schlechteren ÖPNV-Anbindung eher unwahrscheinlich sein (vgl. zum Ganzen Rasch/Schaetzell, a.a.O., § 44 Ziffer 2.1.2.6).

 

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sich Ihrer Anfrage keine Anhaltspunkt für die „restriktiven“ Nr. 4 und 5 des § 44 Abs. 1 S. 2 HBO entnehmen lassen.

Eine weitere detaillierte Prüfung werden wir nach Beschlusslage an den HSGB richten und der Magistrat wird über das Ergebnis in den nächsten Sitzungen berichten. Aufgrund des späten Einganges der Antwort des HSGB konnte keine Beratung im Magistrat stattfinden.

Beschlussantrag:

 

Der Magistrat stellt über den Umwelt-, Bau-, Planungs- und Verkehrsausschuss sowie den Haupt – und Finanzausschuss den Antrag, die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Stadtverordnetenversammlung beschließt vorbehaltlich einer rechtlichen Prüfung durch den HSGB die folgende Änderung der Stellplatzsatzung:

 

 

Artikel I

 

§ 1 wird wie folgt geändert:

Die Satzung gilt für das gesamte Stadtgebiet der Stadt Laubach mit Ausnahme der Altstadtbereiche in der Kernstadt sowie den Ortsteilen. Die genaue Abgrenzung erfolgt durch Festlegung des Magistrates.

 

Artikel II

Die vorstehende Änderung der Stellplatzsatzung tritt am Tage nach Ihrer Bekanntmachung in Kraft.